Beschilderung Gudrun-Goesecke-Straße

Erneute Schlappe für Stadt Halle - Stadt scheitert vor Oberverwaltungsgericht

16.04.2023

Zukünftig können Radfahrer auch die Fahrbahn der Gudrun-Goesecke-Straße in Halle nutzen, Fußgänger dürfen die Wege auf beiden Seiten begehen.

Die autogerechte Stadt

"Radfahren ist mein liebstes Hobby, dabei macht es mir eigentlich gar keinen Spaß" sagt unser Vereinsvorsitzender Marius Fischer. Ob die schlechte Infrastruktur, die Gefahren durch den motorisierten Verkehr, der Fahrraddiebstahl oder der wiederkehrende Vorwurf, Radler seien ja die Schlimmsten von allen, weil sie ständig Fußgänger umnieten: Jahrzehnte von autozentrierter Verkehrspolitik haben dazu geführt, dass die schönste Fortbewegungsart der Welt so ihre Tücken und Nachteile hat. Ein Überblick.

Radwege

Das Radwegenetz in unserer Region wurde jahrelang vernachlässigt. Während dem KFZ-Verkehr Autobahnen, Bundesstraßen, Landstraßen und breite, qualitative hochwertige Gemeindestraßen bis in den letzten Winkel des Landes gebaut werden, muss die Fahrrad-Infrastruktur als unwürdig bezeichnet werden. In der Stadt müssen sich Radfahrende regelmäßig mit zu engen Radwegen abfinden, auf denen man Vorausfahrende kaum überholen kann. Zahlreiche Straßen haben keinen Radweg, oder dieser führt durch die Todeszone zwischen parkenden Autos und fließendem Verkehr. Bordsteinkanten, Schlaglöcher und Wurzelschäden mindern den Komfort beim Fahren. Nicht nur Falschparker, sondern auch Baustellenschilder, E-Scooter und Ladesäulen für PKW werden bevorzugt auf Rad- und Fußwegen abgestellt. Potentiell lebensgefährdende Parkverstöße werden zu selten geahndet, auf Umsetzungen wird verzichtet. 

Auf dem Land träumt man von solchen Problemen. Trotz der touristischen Relevanz zwischen Wallendorfer See und Elsterradweg und der seit 2006 bestehenden Forderung der Einwohner beider Dörfer gibt es zwischen Burgliebenau und Lochau keinen Radweg. Auf der L173, der einzigen Verbindung von Bad Lauchstädt nach Teutschenthal, gibt es keinen straßenbegleitenden Radweg. Alleine im ersten Halbjahr 2022 wurde dort ein Pendler getötet, ein weiterer so schwer verletzt, dass der Rettungshubschrauber kommen musste. Diese zwei Beispiele stehen stellvertretend für die Situation im gesamten Saale- und Burgenlandkreis. In Zusammenhang mit dem schwachen ÖPNV bedeutet das: Wer auf dem Land mobil sein möchte, muss tausende Euro in Führerschein und KFZ investieren. Was für eine absurde Situation.

Motorisierte Gewalt

Während der Überholabstand immer häufiger eingehalten wird, gibt es zahlreiche Beispiele, die die Mär von der Regelfestigkeit des KFZ-Verkehrs widerlegen. Wer sich am Lenkrad an die maximale Höchstgeschwindigkeit hält, gilt als Verkehrshindernis. Auf den Schulterblick beim Öffnen der Autotür wird oft verzichtet, mit teilweise fatalen Folgen. Die Wartepflicht gegenüber Fußgänger:innen beim Abbiegen wird seltenst berücksichtigt. Dass der Großteil der Autofahrenden also Verkehrsregeln missachtet, kann als gesichert gelten. Schlimmer aber ist die motorisierte Gewalt, die Rad- und Fußverkehr begegnet.

 

Motorisierte Gewalt beschreibt eine absichtliche, aggressive Fahrweise gegen den Fuß- und Radverkehr. Absichtliches enges Überholen, unnötiges Hupen und starkes Beschleunigen macht Menschen Angst. Besonders frustrierend: Regelkonformes Verhalten, wie das Fahren auf der Straße bei nicht-benutzungspflichtigem Radweg, wird von Unwissenden als Regelverstoß gewertet. Die Folge sind menschengefährdende Fahrweisen gegen den vermeintlichen Übeltäter. Während die Zahl der im Straßenverkehr getöteten Menschen insgesamt abnimmt, verunglücken mehr und mehr Radfahrer:innen und Fußgänger:innen tödlich. In Halle sind über 80% der Verkehrstoten per Rad oder zu Fuß unterwegs.

 

Und ja: Auch Radfahrer:innen halten sich nicht an alle Verkehrsregeln. Manche Radfahrer, vor allem Senioren, weichen auf den Bürgersteig aus- weil sie sich ob der motorisierten Gewalt und der Masse an PKW nicht auf die Straße trauen. Wir kämpfen für eine Infrastruktur, in der kein Radfahrender auf die Idee kommen würde, auf dem Gehweg zu fahren.

Fahrraddiebstahl

Das Kriminalitätsproblem der Fahrraddiebstahls wird in Sachsen-Anhalt massiv unterschätzt. Gerade im städtischen Bereich sind Fahrraddiebstähle Alltag. Der Deliktsbereich muss politisch und polizeilich eine höhere Priorität erhalten: Wer ein Fahrrad klaut, stiehlt nicht nur einen Gegenstand, sondern die persönliche Mobilität und somit die Freiheit des Opfers. Außerdem sind heutige Fahrräder schnell im mittleren oder höheren vierstelligen Preisbereich zu verorten und somit teurer als manch ein Gebrauchtwagen. Ihr könnt euer Rad schützen, indem ihr es mit zwei unterschiedlichen Schlössern anschließt, eine Versicherung abschließt und eine Codierung über den ADFC durchführt.

Bleiben Sie in Kontakt